Noch liegen die Listen mit den mehr als 25
000 Unterschriften Leipziger Bürger gegen den Stadtwerke-Teilverkauf nicht
mal im Rathaus zur rechtlichen Prüfung vor, da ist für Oberbürgermeister
Burkhard Jung (SPD) schon jetzt eines völlig klar: Er pfeift auf die
Gegner seiner Privatisierungspolitik. „Für die Entscheidung des
Stadtrates“, sagte Jung gestern, „ist das Bürgerbegehren ohne Belang.“
Grund: Das Anliegen, über das die Einwohnerschaft anstelle des Stadtrates
entscheiden soll, sei viel zu breit gefasst. Das Bürgerbegehren zielt
darauf ab, die Privatisierung von gleich sieben Stadtfirmen ein für
allemal zu verhindern. Jung: „Da dürfte die LWB nicht mal eine Wohnung
verkaufen.“ Daher halte er „unbeirrt“ daran fest, den Stadtrat am 12.
Dezember über die Teilprivatisierung der Stadtwerke abstimmen zu lassen.
Bis zum Freitag seien „vier notarierte Angebote“ der zum Verkauf stehenden
49,9 Prozent der Stadtwerke-Anteile eingegangen. Namen von Investoren
nannte Jung nicht. Dem Vernehmen nach kamen von den anfangs gut zwei
Dutzend nur noch vier Bieter in die Finalrunde: der französische
Mischkonzern Veolia, der baden-württembergische Energieriese EnBW, der
französische Staatskonzern Gaz de France und die belgische Stromfirma
Electrabel. Die beiden Letztgenannten gaben während des Bieterverfahrens
ihre Fusion bekannt, sollen aber getrennte Gebote eingereicht haben.
Die Auswertung der Offerten läuft durch das mit der Vorbereitung der
Transaktion beauftragte Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG. Beobachter
gehen inzwischen von einem Kaufpreis um die 400 Millionen Euro aus. Das
wären 50 Millionen Euro mehr als erwartet. Davon haben Jung und die SPD
244 Millionen Euro für den Stadthaushalt schon verplant – zum
Schuldenabbau und für Investitionen in Schulen und Kindergärten (die LVZ
berichtete).
Nach LVZ-Informationen will der Unterhändler der KPMG der Geschäftsführung
des städtischen Dachkonzerns LVV, zu dem die Stadtwerke gehören, schon in
den nächsten Tagen einen Übernahmekandidaten für die Stadtwerke-Anteile
empfehlen. Für Freitag nächster Woche wurde der Aufsichtsrat der LVV
einberufen. Einziger Tagesordnungspunkt: die Teilprivatisierung der
Stadtwerke. Zuvor will Jung noch die Lenkungsgruppe des Stadtrates
wiederbeleben und ihr den Vorschlag präsentieren. Das eigens zur
Überwachung des Privatisierungsprozesses gebildete Gremium mit Vertretern
aller Fraktionen hatte Jung gleich zu Beginn des Bieterverfahrens kalt
gestellt, nachdem erste Details des geheimen Verfahrens öffentlich wurden.
Bis zur Entscheidung sollen die Stadträte nun sogar die Gelegenheit
bekommen, die geheimen internen Verhandlungsdaten einzusehen.
Grünen-Stadtrat Roland Quester bezeichnete Jungs Kurs als abenteuerlich.
Der Stadtrat sei bislang vollständig von Informationen und Unterlagen
abgeschnitten. Quester verwahrte sich gegen die Erwartung, der
ehrenamtlich arbeitende Stadtrat könnte innerhalb weniger Wochen eine
Verkaufsvorlage „zum wichtigsten Vermögen der Stadt“ verantwortungsvoll
prüfen und entscheiden. Diejenigen, die dazu bereit seien, „handeln
verantwortungslos“, so Quester.
Grüne und Linkspartei kündigten bereits an, sich zu verweigern. SPD, CDU
und FDP brachten den Privatisierungszug zwar in Gang. Doch die CDU hat
ihre Zustimmung an eine Teilprivatisierung der LVV geknüpft (die LVZ
berichtete). Im Sommer kündigte Jung noch an, zeitgleich zum
Stadtwerke-Teilverkauf auch einen Vorschlag zur Teilprivatisierung der
städtischen Firmenholding zu unterbreiten. Inzwischen ist nur noch die
Rede von einem Gutachten, das Chancen und Risiken darstellen soll. Den
Inhalt des Papiers soll Jung bereits kennen: Ein LVV-Teilverkauf, heiße es
darin, macht keinen Sinn.
Klaus Staeubert |