In
schlechten Zeiten muss man sich von seinem „Tafelsilber“ trennen. In der
Zeit nach dem 2.Weltkrieg konnte von Glück reden, wer dergleichen zum
Tausch gegen Lebensmittel oder andere lebensnotwendige
Dinge anbieten konnte. Man lebte von der Hand in den Mund. Viele Dinge
haben so den Besitzer gewechselt. Bis zum Verkaufen nichts mehr da war. In
dieser Hinsicht mag man eine Parallele zu heute ziehen: Auch heute
wechseln viele Dinge den Besitzer – zum Beispiel Stadtwerke, Wasserwerke
und Wohnungsgesellschaften. Sie werden verkauft, weil vermeintlich nichts
anderes mehr zum „Konsumieren“ und zur Tilgung der „erdrückenden“
Schuldenlast übrig bleibt. Nur, was dann?
Sicher, niemanden kann ein Schuldenberg von
900 Mio. €, der allein bei der Stadt Leipzig aufgelaufen ist, sorgenlos in
die Zukunft schauen lassen. Das eine oder andere Großprojekt der Stadt
(wenn auch oft hoch bezuschusst), aber vor allem die Unausgewogenheit von
kommunalen Pflichtaufgaben einer Großstadt wie Leipzig und deren
Finanzierung haben zu dieser Situation geführt. Um schnelle Abhilfe zu
schaffen, gibt es ein beliebtes Patentrezept: Privatisierung. Teilweiser
oder vollständiger Verkauf kommunaler Unternehmen
und Betriebe, „Beteiligungen“, wie es so schön heißt, „Tafelsilber“ eben.
In Leipzig geht es zunächst um einen
Anteilsverkauf der Stadtwerke Leipzig GmbH (SWL). Laut OBM steht dabei die
Suche nach einem „strategischen Partner“ im Vordergrund und es handelt
sich ja „nur“ um 49,9% der Anteile. Allein dieser Plan wirft zahlreiche
Fragen auf: Hat ein Anteilseigner mit 49,9% nicht praktisch ein Vetorecht
in allen wichtigen Entscheidungen? Welcher der Bieter hat wirklich ein
Interesse an starken, eigenständigen Stadtwerken, die sich mit speziellen
Dienstleistungen und mit regenerativer Energieerzeugung profilieren? Wird
bei der Steuerung der Stadtwerke über den Aufsichtsrat nicht zu befürchten
sein, dass ein privater Anteilseigner am Tisch den bereits nicht übermäßig
ausgeprägten Hang zu Transparenz und demokratischer Kontrolle eher dämpfen
wird? Es gibt für diese Fragen bereits Antworten, man muss nicht einmal
nach Berlin oder Düsseldorf schauen, sie sind schon in Leipzig beantwortet
worden. Schließlich ist es nicht so lange her, dass die MEAG (envia-m)
bzw. RWE an den Stadtwerken beteiligt waren. Weder die versprochenen
Arbeitsplätze kamen nach Leipzig noch nutzten diese „strategischen
Partner“ der Entwicklung der SWL.
Es scheint recht offenkundig, dass der OBM
und die Fraktionen, die er um sich scharen kann, mit dem Erlös (man
spricht von 350 Mio. €) den Haushalt kurzfristig konsolidieren und die
Schuldenlast verringern möchten (112 Mio. € Rückzahlung). Aber es soll
nicht dabei bleiben: Schon 2008 soll die städtische Holding LVV umgebaut
und teilprivatisiert werden. Bereits der Anteilsverkauf der SWL
gefährdet durch den Gewinnausfall in Höhe von ca. 25 Mio. € die
Querfinanzierung der LVB. Ein Verkauf von Anteilen der LVV darüber hinaus
würde wesentliche Teile der kommunalen Daseinsvorsorge privaten
Gewinninteressen unterwerfen. Kein Konzern will Geld nach Leipzig tragen!
Dienstleistungen wie Nahverkehr und Wasser-/Abwasserversorgung müssen nun
einmal erbracht werden und sie stellen in der Regel natürliche Monopole
dar. Nach allen Regeln der Betriebswirtschaft wollen Unternehmen, die in
diesen Segmenten tätig sind, Gewinne machen.
Wenn selbige nicht mehr den Leipzigerinnen
und Leipzigern gehören, fließen diese Gewinne aus der Stadt ab. Und wenn –
wie beim öffentlichen Nahverkehr – ein angemessener Preis nur mit
Subventionen zu halten ist, werden die Bürgerinnen und Bürger der Stadt
diese aufbringen müssen. Dabei macht es schon einen Unterschied, ob sie
zusätzlich Gewinne für einen privaten Teilhaber finanzieren müssen oder
nicht. Ganz abgesehen davon, dass bei (auch nur teilweiser) Privatisierung
die wichtigen Entscheidungen nicht mehr in unserer Stadt getroffen werden,
sondern in Konzernzentralen anderswo bzw. nach Finanzmarktkriterien.
Es geht um die notwendig zu erbringenden
Versorgungsaufgaben der Stadt und eben nicht um „Tafelsilber“. Wenn die
kommunale Daseinsvorsorge privatisiert wird, müssen wir – um im Bild zu
bleiben – für den Teller, von dem wir essen, auch noch bezahlen. Deshalb:
Stoppt den Ausverkauf unserer Stadt! (www.buergerbegehren-leipzig.de)
Wolfgang Franke |