Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) treibt
die Teilprivatisierung der Stadtwerke voran: Mehrere Kaufinteressenten
haben Schreiben erhalten, in denen „Endverhandlungen“ angekündigt werden.
Diese sollen in der nächsten Woche beginnen und innerhalb von drei Wochen
abgeschlossen sein. Die Fraktion Die Linke will im Stadtrat beantragen,
die Verhandlungen abzubrechen.
„Nach wie vor gibt die Geschäftsführung
keinerlei Auskünfte über das laufende Verfahren“, ließ gestern
Hans-Joachim Klein von der Stadt-Holding Leipziger Versorgungs- und
Verkehrsgesellschaft (LVV) verlauten, als er nach dem Verhandlungsstand
gefragt wurde. Recherchen ergaben allerdings, dass Klein mehreren Bietern
Schreiben zugestellt hat, mit denen die letzte Verhandlungsrunde
eingeläutet wird. Jetzt sollen nur noch drei Kaufinteressenten im Rennen
sein.
Bei diesen Endverhandlungen will die Stadt die Gesamtkonzepte der
verbliebenen Bieter aus ihrer Sicht „stimmiger“ machen. Es wird über
Veränderungen in Details geredet, für mehr Rechtssicherheit gesorgt und
versucht, den Kaufpreis nach oben „anzupassen“. Die Endverhandlungen
sollen im Oktober abgeschlossen sein, damit der Stadtrat am 14. November
das Geschäft perfekt machen kann. Als Kaufpreis steht eine Summe von 360
Millionen Euro im Raum.
In der Branche heißt es auch, dass der Bieterkreis nur noch aus dem
Karlsruher Energieversorger EnBW, dem französischen Umweltdienstleister
Veolia und der Leipziger Energie Holding Sachsen besteht; letztere gehört
zum Imperium des russischen Milliardärs Viktor Wekselberg. Die Unternehmen
Gaz de France und Electrabel seien ausgeschieden, weil ihre
Fusionsverhandlungen bei der Kaufabwicklung Probleme aufwerfen könnten.
Der schwedische Multi Vattenfall soll schlechte Karten haben, weil er ein
Staatskonzern ist.
Die Fraktion Die Linke hat gestern angekündigt, dass sie im Stadtrat einen
Abbruch und Neubeginn des Bieterverfahrens beantragen wird. Dies sei
notwendig, weil Unterhändler der Stadt Fristen missachtet und Bietern
Nebenangebote gemacht haben sollen. Die Linke bezieht sich damit auf
Informationen, nach denen der amerikanische Finanzinvestor Cerberus
(Chrysler-Käufer) nach seinem Ausscheiden Kontakt mit Jung gesucht haben
soll, um wieder in den Kreis der Bieter aufgenommen zu werden. Der
Hedgefonds sei daraufhin von Leipzigs Unterhändlern aufgefordert worden,
die reine Kaufsumme seines Angebotes auf 400 Millionen Euro aufzustocken,
heißt es. Dies hätten die Amerikaner aber abgelehnt. Nach Ansicht der
Linken besteht die Gefahr, dass das Verfahren angefochten wird. Wie
berichtet, soll der Hedgefonds ursprünglich für die Stadtwerke-Anteile
einen Kaufpreis von 325 Millionen Euro geboten und zusätzlich offeriert
haben, eine Zentrale des US-amerikanischen Automobilgiganten Chrysler nach
Leipzig zu verlegen und dadurch über 200 neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Andreas Tappert
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